Befreiungsbewegungen Anders als in Nordamerika konnten sich die europäischen Siedler in Nordafrika nicht dauerhaft etablieren. Trotz massiver Förderung der Zuwanderung waren Ende der vierziger Jahre in den drei von Frankreich beherrschten Maghrebstaaten nur zwölf Prozent (Algerien), 7,5 Prozent (Tunesien) und 3,5 Prozent (Marokko) der Bevölkerung Europäer. Diese lebten vor allem in den Städten. Der arabisch-islamische Bevölkerungsanteil blieb entscheidend. 1936 wurde der Ruf des Abd al Rahman Ibn Badis, dem Führer der algerischen Ulama (arabisch: islamische Schriftgelehrte) laut, der lautete Algerien ist unsere Heimat, Arabisch unsere Sprache, Islam unsere Religion. Frankreich reagierte darauf erst, als es für eine friedliche Lösung zu spät war. Das revolutionären Ägypten unter seinem Führer Gamal Abdel Nasser 1952 und das unabhängige Libyen 1951 unterstützten die Bewegung des Abd al Rahman Ibn Badis und sie stärkten damit weiteren Befreiungsbewegungen in den drei besetzten Ländern den Rücken. Die christlichen Europäer in Algerien, die aus Frankreich, aber auch aus anderen Mittelmeerländern zugezogen waren, sowie die autochthone Minderheit der Juden gerieten in eine merkwürdige Zwitterrolle: Zum einen empfanden sie sich als fester Bestandteil des Staatsvolkes im Mutterland, zum anderen gehörten sie teilweise bereits in zweiter oder dritter Generation nach Nordafrika und waren dort verwurzelt, (etwa der Schriftsteller Albert Camus, 1913-1960). Eine geistige, soziale, ethnische und topographische Vermischung mit der einheimischen Bevölkerung fand in der Regel nicht statt. Die Europäer profitierten von den Trennungslinien zwischen den Gruppen mit zahlreichen Privilegien und den billigen heimischen Arbeitskräften Die Algerien-Franzosen (französisch: Pieds noirs, Schwarzfüsse) kämpften mit der französischen Armee seit 1954 gegen die algerisch-muslimische Befreiungsbewegung FLN. Der Mut und der Freiheitswille der 9,1 Millionen Muslime waren 1960 letztlich stärker als die Kampfkraft der Armee und das Beharrungsvermögen der einen Million Europäer. Der blutige Befreiungskrieg endete Julie1962 mit der Unabhängigkeit. 1965 erhielt Algerien die volle Souveränität über die algerische Sahara, die bis dahin Schauplatz französischer Atombombenversuche gewesen war. Den letzten Flottenstützpunkt bei Oran räumten die Franzosen 1968. In ihrer Mehrzahl verließen die europäischen Siedler Algerien in Richtung Frankreich, nur circa 60000 nahmen die jedermann angebotene algerische Staatsbürgerschaft an. Besonders schwierig war während der Befreiungskriege die Situation der Juden. Sie galten, nach dem Verschwinden des Christentums in Algerien im 11. Jahrhundert, vor der Kolonialzeit als die einzige überwiegend arabisch sprechende religiöse Minderheit. Sie flohen oft nach Spanien in der Zeit der Reconquista. Sie wohnten als Händler und Handwerker häufig in eigenen Stadtvierteln. Daneben gab es ländliche jüdische Gruppen, die wahrscheinlich vor Ankunft des Islam bekehrte Berber waren. Diese waren als Ackerbauern und Handwerker in Marokko (Hoher Atlas), Algerien, Tunesien (Djerba) und Libyen (Tripolitanisches Gebirge) zu finden und sie unterschieden sich kaum von ihren muslimischen Nachbarn. Der Kolonialmacht assimilierte sich diese Minderheit bereitwillig und sie konnte frühzeitig die französische Staatsbürgerschaft erhalten. In Handel und Verwaltung fühlte sie sich als Vermittlerin zwischen traditioneller einheimischer Bevölkerung und der Kolonialmacht bzw. den französischen Unternehmen. Ihr Anteil von zwei bis vier Prozent an der Gesamtbevölkerung ging zwischen 1947 und 1962 schnell zurück. Der neu entstandene Staat Israel förderte seit 1948 die Auswanderung dorthin, die meisten übrigen Juden verließen mit französischen Pässen ihre Heimatländer nach deren Unabhängigkeit. Heute ist Marokko stolz darauf, mit circa 40000 Menschen die größte jüdische Gruppe in den arabischen Ländern zu beherbergen. |
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